Trainerin Bettina Lomen über das Refraiming im systemischen Coaching

Bettina Lomen hat Betriebswirtschaftslehre und Sport studiert. Als Trainerin engagiert sich die Diplom-Handelslehrerin in mittelständischen Unternehmen. Dazu bildete sie sich als systemischer Coach (IHK- und ECA-zertifiziert) sowie im Hinblick auf das Stressmanagement weiter.
Bettina Lomen hat Betriebswirtschaftslehre und Sport studiert. Als Trainerin engagiert sich die Diplom-Handelslehrerin in mittelständischen Unternehmen. Dazu bildete sie sich als systemischer Coach (IHK- und ECA-zertifiziert) sowie im Hinblick auf das Stressmanagement weiter.

Kennen Sie das? In Ihrem Unternehmen wird daran gearbeitet, wie ein neues Produkt positioniert werden soll. Ein Mitglied des Teams treibt die Kollegen schier zum Wahnsinn, weil er immer wieder darauf insistiert, Bestehendes zu bewahren.

Wie stellt sich die Situation dar, wenn sie in einem anderen Rahmen betrachtet wird? Etwa so: Das bedeutet auch, dass es Aspekte gibt, die sich bewährt haben; deshalb sollen diese weiterhin einen Platz haben. Oder: Das bedeutet auch, dass der Mitarbeiter Kunden im Blick hat, die mit der bewährten Strategie erreicht wurden. Oder: Das bedeutet auch, dass der Bewahrer ein Bremser im positiven Sinn ist, der Bewährtes und Neues miteinander abgleicht.

Alternativer Rahmen

Wohin kann ein anderer Blickwinkel führen? Durch Umdeuten, das so genannte Reframing, wird das Geschehene in einen alternativen Rahmen (= frame) gestellt und erhält dadurch einen neuen Sinn. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es von der Perspektive abhängt, wie wir die Realität wahrnehmen. Die Geschichte kann einen gänzlich neuen Sinn annehmen, wenn sie in einem alternativen Licht erzählt wird.

Im Unternehmenskontext bedeutet das etwa: Ob ein Konflikt als Problem wahrgenommen oder der Blick auf Chancen sowie Möglichkeiten gerichtet wird, hängt entscheidend vom Blickwinkel ab. Zum Beispiel, wenn ein Mitarbeiter argumentiert: „Eine Zusatzqualifikation neben Beruf, Familie und privaten Interessen zu erwerben, ist mit viel Arbeit, einem großen Aufwand und einer starken Belastung verbunden.“

Das Reframing könnte lauten: „Das bedeutet auch, dass die Zusatzqualifikation eine Herausforderung ist, Schwerpunkte im Alltag neu zu setzen.“ Oder: „Das bedeutet auch, mit der weiteren Qualifikation berufliche Wünsche zu erfüllen und mehr Zufriedenheit zu erreichen. Davon profitieren sowohl Betrieb als auch die Familie.“ Oder: „Eine zusätzliche Qualifikation zu erwerben, eröffnet die Möglichkeit zu zeigen, welche Fähigkeiten ich habe.“

Position in Frage stellen

Ein anderes Beispiel: „Ich kann mich nicht zwischen zwei Stellen entscheiden.“ Mögliches Reframing: „Das zeigt, dass Sie sich mit Ihren Bedürfnissen auseinandersetzen.“ Oder: „Das bedeutet auch, dass Sie sich mit Ihren Fähigkeiten in beiden Unternehmen gut aufgehoben fühlen.“ Oder: „Das zeigt, dass Ihre Qualifikationen so gut sind, dass sich gleich zwei Unternehmen für Sie interessieren.“

Ein drittes Exempel: „Der Mitarbeiter streitet häufig mit anderen.“ Der Perspektivwechsel könnte heißen: „Der Mitarbeiter ist sehr engagiert und sorgt für klare Grenzen.“ Oder: „Wenn es um klare Aussagen geht, ist der Mitarbeiter in der Lage, eine eindeutige Position einzunehmen.“ Oder: „Er zeigt großes Engagement, eine Lösung herbeizuführen. Vielleicht gibt es in der Tat andere Wege.“

Diese Fälle machen deutlich, dass der zentrale Aspekt des Refraimings liegt darin, die bisherige Sicht auf die Dinge in Frage zu stellen. Das hilft, etwas anders zu betrachten, eine Situation als weniger festgefahren zu erleben. Dem Betroffenen ermöglicht es, sich durch verschiedene Blickwinkel leichter und freier zu fühlen.

Fazit: Fast jeder kennt das erhabene Gefühl, von der Spitze eines Berges in die Weite zu schauen. Man atmet tief durch, der Brustkorb weitet sich, die Begeisterung über sichtbare Details in der Ferne bricht durch. In einem anderen Kontext kann das heißen: Erleichterung und Freiheit in der Betrachtungsweise ebnen den Weg zu einer passenden Lösung. Um es mit Marc Aurels Worten zu sagen: „Sieh’ die Dinge einmal von einer anderen Seite als bisher. Das heißt, ein neues Leben zu beginnen.“